Eine Geschichte, die sich oft wiederholt: Nach der Behandlung ihrer Brustkrebserkrankung schien die Prognose sehr günstig. Die damals 33-jährige Martina Lies galt Anfang 1996 als geheilt. Drei Jahre später kam der Schock. Der Krebs meldete sich zurück, mit Metastasen in Knochenmark, Lunge und Leber.
Solche Tochtergeschwülste entstehen durch die Absiedlung einzelner Tumorzellen vom Ausgangstumor. Über Blut- oder Lymphbahn gelangen sie in Organe und Knochen, wo sie zu Tumorzellhaufen heranwachsen. In Weichteilen verursachen sie häufig Organversagen, während Knochenmetastasen das Skelett zerstören. In der Folge leiden Patientinnen unter starken Schmerzen, das Risiko von Knochenbrüchen steigt, die Knochenzerstörung kann bis zur Bettlägerigkeit führen. Ingesamt ist der tödliche Verlauf von Krebserkrankungen weit häufiger auf die Metastasierung als auf den ursprünglichen Tumor zurückzuführen.
Der frühzeitige Einsatz von Bisphosphonaten könnte die Überlebenschance betroffener Frauen deutlich verbessern. Wirkstoffe wie Clodronat beugen der Zerstörung des Skeletts durch Knochenmetastasen vor. Klinische Studien haben gezeigt, das unter dem Einfluss von Clodronat auch Organe seltener von Metastasen befallen werden. Professor Burkard Krempien, Pathologe an der Universitätsklinik Heidelberg, spricht sich daher deutlich für einen vorbeugenden Einsatz von Bisphosphonaten aus. Zumal das Mittel, das sowohl als Tablette als auch als Infusion verabreicht werden kann, als sehr gut verträglich gilt und äußerst selten Nebenwirkungen verursacht. Wechselwirkungen mit anderen zur Brustkrebstherapie eingesetzten Mitteln wurden nicht beobachtet. Bislang kann nicht genau vorhergesagt werden, ob Brustkrebspatientinnen Knochenmetastasen entwickeln oder nicht.
Dies kann bereits geschehen sein, bevor ein Tumor operativ entfent wurde. Mit bisher zur Verfügung stehenden Diagnoseverfahren erkennt man Metastasen im Skelett erst, wenn die Knochenzerstörung bereits eingesetzt hat. Um so unverständlicher ist es, dass bislang nur wenige Ärzte unaufgefordert Cloronat vorbeugend verschreiben, obwohl schon seit Ende der 80er Jahre die tumorbedingte Knochenzerstörung mit Bisphosphonaten behandelt wird.
Martina Lies musste diese leidvolle Erfahrung machen. Bei ihr wurden Metastasen nicht nur im Knochen, sondern auch in Leber und Lunge diagnostiziert - ein sicheres Todesurteil. Deshalb setzt sie sich für eine bessere Behandlung bei Brustkrebs ein. Auch wenn die Krankenkassen nicht verpflichtet sind, die Kosten für eine vorbeugende Behandlung zu übernehmen: "Manche Kassen bezahlen dennoch die Therapie, wenn man entsprechend Druck macht und die wissenschaftlichen Daten vorlegt." So kommt ihre private Krankenversicherung für die Kosten auf und ermöglicht ihr ein relativ beschwerdefreies Leben - soweit dies bei Brustkrebs im Endstadium möglich ist.
Für Professor Krempien ist die Haltung der Krankenkassen unverständlich. Ab einem gewissen Punkt könne man den durch einen fortschreitenden Knochenabbau verursachten Schmerzen nur noch mit einer kontinuierlichen Gabe von Schmerzmitteln beikommen. Oft genug würden Patienten zu Pflegefällen. "Der routinemäßige, frühe Einsatz von Clodronat bei Brustkrebs könnte das Gesundheitswesen sogar finanziell entlasten." Auch hier - wie in vielen anderen Dingen - ist Umdenken dringend erforderlich.