Zahnprobleme bei Kaninchen
Ich möchte mich in diesem Artikel einer Tierart widmen, die in den letzten Jahren zunehmend mit Zahnproblemen in der Kleintierpraxis vorgestellt wird: den Kaninchen.
Bei diesen Problemen handelt es sich gelegentlich um ein übermäßiges Wachstum der Schneidezähne, wodurch das Tier zunehmend nicht mehr in der Lage ist zu nagen, wesentlich häufiger jedoch ist ein unregelmäßiges Wachstum der Backenzähne, mit zum Teil schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen für das betroffene Tier.
Die Ursache liegt fast immer in einer angeborenen Zahnfehlstellung, die zumindest teilweise durch die Kaninchenzucht in den letzten Jahren und Jahrzehnten deutlich begünstigt wurde: um die Kaninchen möglichst dem menschlichen "Kindchenschema" entsprechen, und somit möglichst "niedlich" aussehen zu lassen, wurden zunehmend Tiere mit runder Kopfform gezüchtet. Damit einher ging eine zunehmende Verkürzung von Ober- und Unterkiefer. Die verkürzten Kiefer beherbergen jedoch nach wie vor die gleiche Anzahl von Zähnen, wodurch Fehlstellungen begünstigt wurden. Die bei Nagetieren lebenslang wachsenden Zähne nutzen sich bei entsprechenden Fehlstellungen nicht mehr gleichmäßig ab, was zur Bildung von dolchartigen Haken und/oder messerscharfen Graten führt, die Backenschleimhaut und Zunge erheblich verletzen und dem Tier starke Schmerzen bereiten können. –Spätestens wenn sich derart entstandene tiefere Wunden infizieren, stellen die Tiere die Nahrungsaufnahme ein.
Begünstigt wird die Problematik häufig durch eine nicht "nagergerechte" Ernährung. So werden oftmals (in bester Absicht) Körnerfutter und Leckerchen wie Grünrollis oder Jogurtdrops im Übermaß angeboten, während rohfaserreiches Futter (an allererster Stelle hochwertiges Heu, aber auch abwechslungsreiches Grünfutter) als vermeintlich minderwertige, in Wirklichkeit aber lebensnotwendige Hauptnahrung vernachlässigt wird. Ein weiterer, relativ weit verbreiteter Irrglaube besteht darin, dass die Verfütterung trockenen Brotes ein probates Mittel sei um einen adäquaten Zahnabrieb zu erreichen. Da das trockene Brot im Mund des Tieres durch dessen Speichel sehr schnell aufweicht, findet so gut wie kein Zahnabrieb an den Backenzähnen statt.
Die häufigsten Anzeichen eines Zahnproblems sind nachlassende Fresslust bis zur totalen Nahrungsverweigerung und übermäßiges Speicheln. Sehr oft entstehen auch Blähungen und Durchfall durch vermehrtes Spielen mit der Zunge an den veränderten Zähnen, einem damit einher gehenden übermäßigen Abschlucken von Luft und oft gleichzeitig auftretenden Fehlgärungen.
Wird die Diagnose einer Zahnerfehlstellung gestellt, muss diese durch den Tierarzt korrigiert werden. Je nach Allgemeinzustand, Temperament des Tieres und möglichen Begleiterkrankungen entscheidet der Tierarzt, ob die Zahnkorrektur unter Sedation oder am wachen Patienten durchgeführt werden muss. Dabei gilt es, das Tier weder durch übermäßige Zwangsmaßnahmen noch durch ein möglicherweise erhöhtes Narkoserisiko zu gefährden. Die Entscheidung über Art und Weise der durchzuführenden Behandlung muss daher im jeweiligen Einzelfall getroffen werden.
Die eigentliche Behandlung besteht in einer instrumentellen Wiederherstellung einer physiologischen Gebissstruktur.
Da bei Kaninchen die Zähne lebenslang wachsen, muss nach erstmaligem Auftreten von Zahnerkrankungen damit gerechnet werden, dass die Probleme erneut auftreten können. Es ist daher unbedingt anzuraten, in regelmäßigen Abständen Kontrolluntersuchungen durchzuführen. Bewährt hat sich hierbei ein Untersuchungsintervall von maximal 3 Monaten.