Sex im Alter - nicht Frust, sondern Lust
Weltweite Umfrage belegt: Sex ist auch in der zweiten Lebenshälfte ein wichtiges Thema
Liebe und Sexualität im Alter? Für viele junge Menschen unvorstellbar, wird das Alter doch häufig mit körperlichem und geistigem Abbau gleichgesetzt. Dass ältere Menschen unverändert das Bedürfnis nach Liebe und körperlicher Zuneigung haben, wird weitgehend noch tabuisiert. In der Realität sieht es aber anders aus: Sex ist bei Frauen und Männern zwischen 40 und 80 Jahren in der überwiegenden Mehrheit ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Und das ist nicht nur eine Vermutung, sondern durch die erste Umfrage ihrer Art - dem weltweiten Pfizer-Bericht zu sexueller Einstellung und sexuellem Verhalten - an immerhin 26.000 Frauen und Männern aus 29 Ländern nun auch wissenschaftlich belegt.
Sexuelle Aktivität - ältere Deutsche zählen nicht zum alten Eisen
Menschen werden heute nicht nur älter, sie bleiben auch länger jung. Wer in den Industriestaaten geboren wird, hat gute Chancen, über 70 Jahre alt zu werden. Die meisten Menschen zwischen 40 und 80 Jahren fühlen sich gesundheitlich und psychisch wohl. Sexuelle Aktivitäten können einen wichtigen Platz in ihrem Leben einnehmen. "Dabei sind es nicht nur sexuelle Wünsche, sondern die meisten bleiben auch wirklich sexuell aktiv", berichtete Professor Edward Laumann, Soziologe von der Chicagoer Universität.
In der Umfrage zeigen sich auch die älteren Deutschen nicht unbedingt als Sexmuffel: Immerhin 68 Prozent der befragten 1.500 deutschen Männer und Frauen hatten nach eigenen Angaben im letzten Jahr mindestens einmal pro Woche Geschlechtsverkehr. Europäischer Spitzenreiter sind allerdings die 40- bis 80-jährigen Spanier. Im Gegensatz zu den heißblütigen Südländern, geben sich die Japaner zurückhaltend: Nur 21 Prozent der Männer und Frauen aus dem fernen Osten gehören zu den wöchentlich sexuell Aktiven. Britische Frauen im Alter zwischen 70 und 80 Jahren bilden - nach eigenen Angaben - mit 1,7-mal sexuellen Aktivitäten im Jahr das absolute Schlusslicht. Spanische Frauen diesen Alters liegen mit 27-mal pro Jahr ganz vorne; deutsche Frauen mit 7-mal im Mittelfeld.
Ausgefülltes Sexualleben: Wichtig für die Gesundheit
"Sexuelle Zufriedenheit ist nicht nur ein wesentlicher Bestandteil einer glücklichen Beziehung, sondern steht auch in engem Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen." Zu diesem Schluss kommt die australische Paar- und Sextherapeutin Professor Rosie King. Die Umfragedaten geben ihr Recht: So schätzen sich diejenigen am gesündesten ein, die auch die größte körperliche Befriedigung in der Partnerschaft angaben. Immerhin 70 Prozent aller Befragten, die ihre Partnerschaft im letzten Jahr als "äußerst oder sehr befriedigend" bezeichneten, fühlten sich auch rundherum gesundheitlich wohl. "Zum Schaden aller wird die Bedeutung sexueller Gesundheit von den Betroffenen, ihren Ärzten und der Gesellschaft überhaupt oft übersehen", kritisiert die engagierte Ärztin.
King fordert, den Einfluss, den die sexuelle Gesundheit eines Menschen auf sein Wohlbefinden hat, nicht länger zu ignorieren. Gleichzeitig gibt sie der Hoffnung Ausdruck, dass solche großen Umfragen wie der weltweite Pfizer-Bericht zu sexueller Einstellung und sexuellem Verhalten den notwendigen Dialog über die sexuelle Gesundheit erleichtern.
Darüber sollte man doch sprechen ...
Trotz aller Veränderungen der letzten Jahre im Umgang mit Sexualität bestätigen die Experten, dass es doch noch viele Vorurteile gibt, die den Umgang mit der sexuellen Gesundheit behindern.
"Immerhin mehr als die Hälfte aller Patienten glaubt, dass sexuelle Funktionsstörungen im Alter normal sind", so Professor Gerald Brock vom St. Joseph´s Health Center in London/Kanada.
Noch wesentlich drastischer ist, dass die Mehrheit der Befragten eine optimistische Einschätzung ihrer Gesundheit vornimmt, obwohl fast ein Viertel der Befragten ernsthafte chronische Erkrankungen wie Bluthochdruck aufweist. Die Lücke zwischen Selbsteinschätzung und tatsächlichem Zustand ist nach Meinung von Brock fatal groß. Das könnte aber auch zum Teil daran liegen, dass ein Drittel der Befragten im letzten Jahr weder einen Arzt aufgesucht haben oder sich auch nur an ihren letzten Arztbesuch erinnern können. Außerdem zeigen die Umfrageergebnisse, dass nur 17 Prozent aller Deutschen mit sexuellen Problemen, ihren Arzt daraufhin ansprachen. Zu massiv ist scheinbar der Angriff auf das männliche Selbstbewusstsein, zu groß ist die Scham, wenn ER nicht will. Aber auch die Ärzte sind sich der Problematik nicht bewusst: Denn nur jeder 10. deutsche Arzt fragt seinen Patienten nach seinem sexuellen Wohlergehen. Dabei lohnt es sich durchaus, über die sexuelle Gesundheit zu sprechen; nicht nur weil sie ein Lebenselixier ist, sondern auch weil sexuelle Funktionsstörungen häufig erste Anzeichen für solch ernsthafte Krankheiten wie Diabetes oder Herzkrankheiten sein können