Retinierte und verlagerte Zähne
Unter retinierten oder verlagerten Zähnen versteht man Zähne, die nicht aus dem Knochen heraus durch die Schleimhaut durchgetreten sind und ihre Funktion im Rahmen des Kauprozesses übernehmen, sondern vielmehr im Knochen verblieben sind. Oftmals kommt hinzu, dass diese Zähne nicht nur retiniert sind, sondern zusätzlich eine Verlagerung aufweisen, d. h. sie befinden sich nicht achsgerecht im Kieferknochen. Bedingt durch die Entwicklungsgeschichte des Menschen hat sich als Folge veränderter Essgewohnheiten auch die Kieferanatomie deutlich verändert. Der menschliche Kiefer ist über die Jahrtausende kleiner geworden. Hieraus ergibt sich, dass oft nicht ausreichend Platz für die sog. Weisheitszähne vorhanden ist. Es kommt zu deren Retention oder aber zu ihrem schmerzhaften Teildurchbruch, der sog. Dentitio difficilis. Bei diesem Phänomen tritt der Weisheitszahn nur unvollständig in die Mundhöhle ein und es kommt zu Entzündungen um den teilweise durchgetretenen Weisheitszahn herum. Hier können sich auch Zysten oder andere den Unterkiefer auflösende Weichteilprozesse ausbilden.
Hat man den Verdacht auf einen retinierten oder verlagerten Zahn oder Weisheitszahn, sollte man unbedingt den Kiefer-Gesichtschirurgen, als den für diese Fragestellung zuständigen Facharzt, aufsuchen, der dann ein Röntgenbild fertigt und die Diagnose stellt. Insbesondere wird er im Gespräch mit dem Patienten klären, ob die retinierten Zähne entfernt werden müssen oder ob eine andere Therapie möglich ist, wie beispielsweise die operative Freilegung, bei der ein Kontakt der retinierten Zähne zur Mundhöhle geschaffen wird. Auf die dann teilweise freigelegten Zähne kann ein Kieferorthopäde dann ein Bracket kleben und mithilfe einer festsitzenden oder herausnehmbaren Apparatur den Zahn in seine normale Position in der Zahnreihe hineinbewegen. Auch wenn dieses ein langwieriger, mehrere Monate andauernder Prozess ist, stellte dies jedoch die adäquate Therapie von retinierten Eckzähnen und Prämolaren, d. h. kleinen Backenzähnen dar. Auf diese Weise kann die Notwendigkeit entfallen, z. B. eine Brücke anzufertigen oder ein Implantat zu setzen, um eine Zahnlücke zu schließen. Eine Indikation für eine kieferorthopädische Einstellung findet man im Weisheitszahn- und insgesamt im hinteren Backenzahnbereich jedoch selten. Dieses liegt zum einen an den anatomischen Verhältnissen, d. h. dem geringem Patzangebot und zudem an der Größe der Backenzähne, die eine kieferorthopädische Einstellung erschweren.
Ignoriert man das Vorhandensein von retinierten Zähnen und wartet man bis es zu Entzündungen um Weisheitszähne herum kommt, kann dies zu unterschiedlichen Entzündungen und Erkrankungen, wie z. B. Abszessen, d. h. Eiterungen im Bereich des Kiefers und des Halses führen, die ggf. sogar eine Krankenhausaufnahme nötig machen.
Daher sollte man frühzeitig, d. h. im Alter von 15-16 Jahren die Indikation zur operativen Weisheitszahnentfernung abklären. V. a. nach kieferorthopädischen Behandlungen oder bei Vorliegen eines sog. Engstandes, d. h. eines Platzmangels, ist die Weisheitszahnentfernung in aller Regel ein Muss. Durchgeführt vom Kiefer-Gesichtschirurgen stellt sie heute keinen sehr belastenden Eingriff mehr dar. Durch entsprechende Medikamente lassen sich die postoperativen Schmerzen und die Schwellung sehr gut kontrollieren. Voraussetzung ist jedoch, wie bei allen anderen operativen Eingriffen, die Durchführung durch den entsprechend fortgebildeten Facharzt. Dieses gilt besonders dann, wenn es sich um schwierige Retentionen und Verlagerungen handelt, die ggf. auch den Einsatz eines Mikroskops notwendig machen.