Metabolisches Syndrom und Akutes Koronarsyndrom
Prof.Dr.med. Diethelm Tschöpe, Deutsches Diabetes Forschungsinsitut Die meisten Patienten mit Metabolischem Syndrom (Typ-2-Diabetes) sterben an arteriell-thrombotischen Komplikationen auf atherosklerotisch veränderten Gefäßen, d.h. meistens am akuten Koronarsyndrom (Herzinfarkt). Diabetes ist ein unabhängiger Risikofaktor für diese klinischen Komplikationen, aber meistens sind teils abhängige, aber auch unabhängige weitere typische Risikofaktoren wie Dyslipoproteinämie, Hypertonie und Übergewicht bereits in der prädiabetischen Phase der gestörten Glukosetoleranz vorhanden. Das sog. Metabolische Syndrom (initiale Hyperinsulinämie mit peripherer Insulinresistenz) entwickelt sich dabei häufig vor einem multifaktoriellen genetischen Hintergrund, der eine erhöhte Anfälligkeit dieser Patienten für vaskuläre Endpunkte begründet. Erst im weiteren Verlauf kommt es zu einer Erschöpfung des sekretorischen ß-Zellapparates, dem Sekundärversagen, das auch bei diesen Patienten die Notwendigkeit der Insulintherapie begründet. Letztlich kommt es zu einer beschleunigten Entwicklung einer qualitativ-funktionell anderen koronaren Artherosklerose, die sich mit einer reduzierten Auslöseschwelle, d.h. einer beschleunigten Thrombogenese kombiniert. Allerdings findet diese Entwicklung in einem durch die lange bestehende Hyperglykämie veränderten („Remodelling“) Herzen statt, das mit einer deutlich reduzierten Ischämietoleranz reagiert ("diabetische Kardiopathie”). Die bekannten statistischen Risikoassoziationen der klassischen Risikofaktoren können die pathogenetische Ablaufsequenz des ischämischen Endpunktes nicht kausal erklären. Hier sind Gerinnungsfaktoren wichtig, die nicht nur risikoassoziiert sind (z.B. PAI-1, Fibrinogen, Thrombozyten), sondern auch unmittelbar in die funktionelle Pathophysiologie des „atherothrombotischen“ Endpunktes einbezogen sind. Bei Diabetikern liegt ein präthrombotischer Zustand vor, der sich auf erhöhte plasmatische Koagulatoren, verminderte Fibrinolyse, reduzierte endotheliale Thromboresistenz und vor allem auf korpuskuläre Hyperreaktivität ("Diabetische Thrombozytopathie”) begründet. Aus pathophysiologischen Untersuchungen, insbesondere aber den Lipidinterventionstudien kann geschlußfolgert werden, daß schützende hormonelle Faktoren z.B. bei prämenopausalen Frauen hierdurch bei Diabetespatienten überspielt werden. Neben der verringerten funktionellen Organreserve des infarzierten Diabetikerherzens erscheinen diese Mechanismen auch für die schlechtere Prognose tertiär interventioneller Revaskularisierungsmaß-nahmen bei Diabetikern (z.B. Thrombolyse, PTCA, Bypass) verantwortlich. In dieser Situation erreicht eine Eumetabolisierung über eine parenterale Insulin-Glukosegabe mit anschließender euglykämischer Lang-zeiteinstellung eine eindeutige Prognoseverbesserung. Dabei besteht ein bemerkenswert schmales Fenster für den Zielblutzuckerwert. Zusätzlich zur Blutzuckernomalisierung bedarf es aber einer multimodalen Risikofaktorenintervention, die neben behavioristischen Allgemeinmaßnahmen, antihypertensive, lipidsenkende und antithrombotische Maßnahmen an den individuellen Bedürfnissen des einzelnen Patienten ausrichtet. Ein solchermaßen individualisierter Therapieansatz sollte sich konsequent an einer rechtzeitigen Diagnostik im Sinne einer „ frühen Sekundärprävention“ orientieren. Dabei reicht die Diagnose Typ-2-Diabetes als Leitparameter zur Indikationsstellung aus, insbesondere wenn im Rahmen des metabolischen Syndroms weitere Risikofaktoren hinzukommen. Das Stiftungsprojekt: „Der herzkranke Diabetiker“ in der Deutschen Diabetesstiftung Allerdings lassen aktuelle Untersuchungen zur Indikationsstellung dieser Therapieformen, über deren Effektivität aus dem Blickwinkel evidenbasierter Medizin kein Zweifel besteht, befürchten, dass nicht die Evidenz, sondern der Grad an Informiertheit des Verordners und die Komorbidität des Patienten über die tatsächliche Verordnungs- und Einnahmepraxis entscheidet. Allerdings lassen aktuelle Untersuchungen zur Indikationsstellung dieser Therapieformen, über deren Effektivität aus dem Blickwinkel evidenbasierter Medizin kein Zweifel besteht, befürchten, dass nicht die Evidenz, sondern der Grad an Informiertheit des Verordners und die Komorbidität des Patienten über die tatsächliche Verordnungs- und Einnahmepraxis entscheidet. |