Von Besenreisern zum offenen Bein
Der Verdacht auf eine Klappenfunktionsstörung der Venen liegt nahe, wenn die Beine schwer sind, die Unterschenkel anschwellen, nächtliche Wadenkrämpfe auftreten und größere Venen sichtbar sind oder sogar Knoten ausbilden.
Viele Patienten konsultieren direkt den Hautarzt, da Hautveränderungen wie stark juckende Ekzeme,Schwellungen und Pigmentbildung oft im Vordergrund der Symptomatik stehen. Durch die Erhebung der Krankengeschichte, die körperliche Untersuchung sowie einige nicht eingreifende Messverfahren können die Beschwerden abgeklärt werden. Dies ist insbesondere auch deshalb wichtig, da auch Herz-, Schilddrüsen-, Nierenerkrankungen,Lymphabfluss- sowie andere Stoffwechselstörungen zu einer Schwellung der Beine führen können.
Im Rahmen der ärztlichen Diagnostik wird durch die Ultraschalluntersuchung die Venenklappenfunktion untersucht. Durch die Lichtreflexionsrheographie lässt sich eine Aussage über die venösen Rückflussverhältnisse machen. Beide Untersuchungsverfahren sind für den Patienten nicht schmerzhaft oder belastend und besitzen eine hohe Aussagekraft. Je nach Ergebnis der Untersuchungen ist eine operative Therapie, Verödungstherapie oder ggf. auch Lasertherapie zu favorisieren. Sofern eine Operation nicht möglich ist und eine Einschränkung der Venenfunktion vorliegt, kann durch einen Kompressionsverband der venöse Blutrückfluss wieder gebessert oder normalisiert werden.
Auch offene Beine können primär oder in Kombination mit arteriellen Durchblutungsstörungen oder Diabetes und Herzleistungsschwäche (Herzinsuffizienz) Folge einer Venenerkrankung sein. Oft findet man bei Patienten mit Besenreisern oder verstärkter Venenzeichnung keine Venenfunktionsstörung. Auf Wunsch kann dann eine Venenverödungaus ästhetischen Gründen durchgeführt werden. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Venenerkrankungen sind sehr häufig. Eine frühzeitige Diagnostik und Therapie kann Folgeschäden abwenden und einen Leidensweg ersparen. Bei der Abklärung erfährt der Patient, ob es sich allein um ein ästhetisches Problem oder bereits um eine behandlungsbedürftige Erkrankung handelt.
Wie die Venen funktionieren
Während das Blut durch die Herztätigkeit in die Blutadern gepumpt wird und sich in immer kleinere Blutgefäßeverteilt, sammelt es sich nach Versorgung der Zellen wieder in kleinen Venen, die es an immer größere Venen weitergeben, bis es über die große Körperhohlvene wieder zum Herzen gelangt. Über die rechte Herzkammer wird das Blut in die Lunge gepumpt, mit Sauerstoff gesättigt und wieder über die linke Herzkammer und die Aorta inden arteriellen Kreislauf ausgeworfen. Damit das venöse Blut wieder zum Herz zurückfließen kann, sind verschiedene Pump- und Saug-Mechanismen erforderlich. Neben der Saugwirkung des Herzens sowie der atembedingten Druckdifferenz trägt die Muskelspannung in der Venenwand der großen Venen aber insbesondere auch die Muskelpumpezu dem Rückflussgeschehen bei. Ähnlich wie sich ein feuchtes StückSeife in der Hand auf Druck bewegt, so bewegt sich das Blut in den Venen auf den Druck der umliegenden Beinmuskulatur. Dies ist bereits bei Körperruhemöglich, da die Muskulatur einen bestimmten Spannungszustand (Muskeltonus) aufweist. Bei körperlicher Bewegung wird durch das Zusammenziehen der Muskulatur dieser Vorgang noch verstärkt.
Damit die Wadenmuskulatur richtig zum Einsatz kommt, ist eine intakte Abrollbewegung der Füße erforderlich. Aufgrund einer Arthrose oder durch Schuhe mit hohen Absätzen wird die natürliche Abrollbewegung im Sprunggelenk behindert. Durch die Anordnung von Venenklappen in den Venenabschnitten, kann sich das Blut nur in Richtung einer Einbahnstraße, nämlich herzwärts vorwärts bewegen. Ein Rückfluss fußwärts ist so normalerweise nicht möglich, da funktionsfähige Taschenklappen dies durch rechtzeitigen Klappenschluss verhindern.
Beschwerden: vom Juckreiz zum offenen Bein
Venöse Rückflussstörungen können aufgrund einer Venenthrombose (sekundäre Varikosis) oder durch eine Venenschwäche aufgrund einer veranlagten Venenerkrankung (primäre Varikosis) in einen Beschwerdekomplex einmünden, der als chronisch-venöse Insuffizienz (Insuffizienz = Leistungsschwäche) bezeichnet wird. Hierbei können folgende Beschwerden auftreten: Sichtbarer Venenstrang an einem oder an beiden Beinen; leichte Ermüdbarkeit der Beine, Schweregefühl, Brennen der Fußsohlen, zunehmende Beschwerden beim Sitzen oder Stehen, Besserung beim Laufen. Bei länger bestehenden Wasserödemen verhärtet und verschwielt die Haut (Dermatosklerose), es kommt zu Pigmentbildung und zum Stauungsekzem, welches aufgrund des starken Juckreizes aufgekratzt wird. Bakterielle Infektionen begünstigen das Entstehen der ersten kleinen Geschwüre, die aufgrund der Stauung nicht abheilen und sich vergrößern. Es entsteht das gefürchtete "offene Bein" (Ulcus cruris). Für den betroffenen Patienten besteht nicht nur körperlicher sondern auch großer seelischer Leidensdruck, da auch die sozialen Beziehungen und die Ausübung der beruflichen Tätigkeit belastet oder gefährdet sind.
Tiefe Venenthrombose
Besonders gefürchtet und gefährlich ist die tiefe Venenthrombose im Bereich der Beinvenen, die eine lebensbedrohliche Lungenembolie auslösen kann. Der Verdacht liegt dann vor, wenn einseitig im Bereich des Beines innerhalb von Stunden ein Druckschmerz im Bereich der Waden- oder Oberschenkelregion auftritt. In der Folge kommt es bei der Oberschenkelvenenthrombose zu einem Rückstau von Flüssigkeit im Bereich des Unterschenkels verbunden mit erheblichem Druckschmerz. Rechtzeitig erkannt kann durch stationäre Einweisung und erfolgreiche Therapie die Ausgangsfunktion der Venen erhalten bleiben. Sofern sich bereits Klappenschäden an den Venen ergeben haben, bleibt die Venenfunktion lebenslang geschädigt. Es entsteht das Krankheitsbild des postthrombotischen Syndroms.