Dialysepatienten frühzeitig informieren
Diabetes und Bluthochdruck gelten als häufigste Ursachen für eine chronische Niereninsuffizienz", sagte Professor Dr. med. Wolfgang Pommer vom Vivantes Humboldt-Klinikum in Berlin-Reinickendorf. Dies verdiene vor folgendem Hintergrund besondere Beachtung: Jeder zweite bis dritte Deutsche wird im Alter von über 65 Jahren an Diabetes mellitus, jeder zweite an Bluthochdruck leiden.
Frühzeitig erkannt und behandelt lassen sich der Beginn und das Fortschreiten einer chronischen Nierenerkrankung deutlich hinauszögern: durch Verzicht auf das Rauchen und auf bestimmte Schmerzmittel, viel Bewegung, Gewichtsreduzierung bei Übergewicht, eine gesunde Ernährung (wenig Fett, viele Ballaststoffe, wenig Salz) und die optimale Einstellung von Blutdruck, Blutzucker und Blutfettwerten.
Auch nach Dialysebeginn müssten diese Risikofaktoren möglichst gering gehalten werden - schon allein wegen der bei Dialysepatienten häufigen Herzkreislauferkrankungen. Eine rechtzeitige Überweisung von nierenkranken Patienten an einen Nephrologen sei ein weiterer wichtiger Faktor, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Dazu müssten Hausärzte allerdings noch umfassender über Nierenerkrankungen, Risikofaktoren und Behandlungsmöglichkeiten informiert werden, forderte der Referent.
Einen allgemeingültig besten Zeitpunkt für den Beginn der Dialyse gebe es nicht, sagte Dr. med. Peter Cleef, Internist, Nephrologe und Diabetologe in Berlin. Bislang liegen keine Studien zum optimalen Dialysebeginn vor, sondern lediglich Erfahrungsberichte von Ärzten. Die Fachgesellschaften raten allerdings zum Dialysestart, wenn die Filtrationsrate der Niere niedriger ist als 10,5 bis 12 ml/min/ 1,73 m2 KO – bei Diabetes, Mangelernährung, Überwässerung, Vergiftungserscheinungen oder Bluthochdruck sogar schon bei einer höheren Filtrationsrate. Cleef forderte, dass Hausärzte und Patienten mehr über entsprechende Richtwerte für den Zeitpunkt einer Überweisung an den Nephrologen und über den Start der Dialyse erfahren sollten.
Welche Maßnahmen sind am besten geeignet, um die Lebenserwartung von Dialysepatienten zu verlängern? In einer Befragung unter knapp 2.800 Ärzten waren neun Prozent der Ansicht, dass die Dialyse zu Hause dazu beitragen könne. Heimdialysepatienten seien im Gegensatz zu Zentrumsdialysepatienten sehr gut geschult und setzten sich aktiv mit ihrer Erkrankung auseinander, was sich positiv auf den Krankheitsverlauf auswirke, sagte Professor Dr. med. Marianne Haag-Weber vom Klinikum St. Elisabeth in Straubing. Sie stellte die verschiedenen Nierenersatztherapien mit dem Schwerpunkt auf Heimdialyseverfahren vor.
Trotz der von ihr zitierten Befragung wird die Zentrumsdialyse noch immer von 95 Prozent aller Patienten angewendet. Die verbleibenden 5 Prozent, die zu Hause dialysieren, wählen vorrangig die Peritonealdialyse (PD), selten die Heim-Hämodialyse (Heim-HD). Die Referentin ging zunächst auf die Vorteile der PD gegenüber der HD ein: den längeren Erhalt der Nierenrestfunktion und damit eine bessere Entgiftung der größeren Giftstoffe, eine leichtere Kontrolle des Salz- und Wasserhaushaltes und des Blutdrucks sowie einen besseren Ernährungszustand. Bei der PD sei ferner kein Gefäßzugang (Shunt) notwendig, der bisweilen zu einer zusätzlichen Belastung des Herzens führt. Bevor sie auf die Vorteile der Heim-HD einging, wies sie auf die Vorzüge einer integrierten Nierenersatztherapie hin. Die PD sei dabei das für den Dialysebeginn geeignete Verfahren, da sie zu einem längeren Erhalt der Nierenrestfunktion beitrage. Die HD könne dann als Folgeverfahren angewendet werden und biete in neuen Varianten (längere oder häufigere Dialyse) eine wesentlich verbesserte Entgiftung und Lebensqualität.
80 Prozent der insgesamt 250 Patienten, die ein Heimdialyse-Projekt durchführen, gaben an, dass der Arzt ihr wichtigster Ansprechpartner sei. Die Hälfte von ihnen erwartete von ihm Aufklärung über die unterschiedlichen Dialyseverfahren. 68 Prozent hatten von ihm den Hinweis auf ein Heimverfahren bekommen. Lediglich 6,2 Prozent der befragten Dialysepatienten erhielten einen Hinweis auf eine Selbsthilfegruppe. 66 Prozent hätten gerne mit einer von ihnen Kontakt gehabt, 33 Prozent verwirklichten dies. Vor diesen Hintergründen forderte Gebel-Martinetz eine umfassendere Aufklärung der Dialysepatienten. Zu diesem Zweck wurde vor dreieinhalb Jahren das Heimdialyse-Projekt unter dem Dach des Berliner Zentrums für Selbstbestimmtes Leben e.V. gegründet und vom Bundesverband der Betriebskrankenkassen (BKK) gefördert. Nach erfolgreichem Abschluss des Projekts wird die Arbeit nun in einem eigenständigen Verein fortgesetzt. In einem bundesweiten Netzwerk bieten darin Dialysepatienten und deren Angehörige anderen Betroffenen Rat und Hilfe (mehr dazu unter www.heimdialyse-online.de).
Die Fortsetzung der Projektarbeit in einem Verein, die Vorträge von Experten verschiedener Branchen und der offene, konstruktive Austausch während der Tagung ließen eines deutlich erkennen: Wie wichtig es den Teilnehmern war und ist, den Grundsatz "Der Patient steht im Mittelpunkt" mit Leben zu füllen.
Bei der Hämodialyse (HD) wird der Patient in der Regel dreimal pro Woche an eine Dialysemaschine angeschlossen. Über ein Schlauchsystem wird dem Körper Blut entzogen und ihm nach Reinigung in einem externen Filter – der "künstlichen Niere" – wieder zugeführt. Die vier- bis sechsstündige Behandlung findet meist in Dialysezentren statt, in seltenen Fällen zu Hause.
Die Peritonealdialyse (PD) bietet sich für eine Behandlung in den eigenen vier Wänden oder auch unterwegs an. Hierbei dient das Bauchfell (Peritoneum), eine rund 2m2 große dünne Haut, die von einem dichten Geflecht von Blutkapillaren durchzogen ist, als Filter. Frische Dialyse-Lösung fließt hierzu über einen ständigen Katheter in die Bauchhöhle. Sie nimmt im Bauchfell Schadstoffe und überschüssige Flüssigkeit auf und transportiert sie nach einigen Stunden Verweilzeit über den Katheter aus dem Körper heraus in einen Auffangbeutel.