PD oder HD? Persönliche Argumente sind entscheidend
PD oder HD? Persönliche Argumente sind entscheidend
Priv.-Doz. Dr. Michael Koch beantwortet die häufigsten Fragen von Dialysepatienten
Noch so viele, noch so detaillierte oder aktuelle Informationen in Fernsehen, Internet und Zeitschriften können es nicht ersetzen: das persönliche Gespräch mit dem Nierenfacharzt, wenn sich für jemanden abzeichnet, dass er in Folge von Nierenversagen über kurz oder lang auf eine Nierenersatztherapie angewiesen ist. Ist die eingangs am häufigsten gestellte Frage "Muss eine solche Behandlung denn wirklich sein? Ich fühle mich doch noch gar nicht so schlecht" mit Verweis auf die gesundheitliche Verfassung des Patienten geklärt, beginnt die eigentliche Beratung. Dr. Michael Koch, Nephrologe am Nephrologischen Zentrum Mettmann, stand weiteren häufigen Fragen von Dialysepatienten Rede und Antwort.
Herr Dr. Koch, Sie sagten eben, dass meine Werte belegen, dass ich wohl in den nächsten Monaten damit rechnen muss, mit einer Nierenersatztherapie zu beginnen. Welche Verfahren habe ich zur Auswahl?
Dr. Michael Koch: Neben der Nierentransplantation gibt es zwei Arten von Dialyseverfahren: Bei der Hämodialyse (HD) wird der Patient in der Regel dreimal pro Woche an eine Dialysemaschine angeschlossen. Über ein Schlauchsystem wird dem Körper Blut entzogen und ihm nach Reinigung in einem externen Filter – der "künstlichen Niere" – wieder zugeführt. Bei der Peritonealdialyse (PD) dient das Bauchfell (Peritoneum), eine rund 2m2 große dünne Haut, die von einem dichten Geflecht von Blutkapillaren durchzogen ist, als Filter. Frische Dialyse-Lösung fließt hierzu über einen ständigen Katheter in die Bauchhöhle. Sie nimmt im Bauchfell Schadstoffe und überschüssige Flüssigkeit auf und transportiert sie nach einigen Stunden Verweilzeit über den Katheter aus dem Körper heraus in einen Auffangbeutel.
Welches Verfahren ist denn für mich geeignet?
Dr. Koch: Die Nierentransplantation erfordert ein bestimmtes Alter. Kinder werden bevorzugt transplantiert, während über 70-Jährige eher selten transplantiert werden. Bis zum Erhalt einer Spenderniere vergehen oft Jahre. Deshalb sind manchmal auch direkte Verwandte oder Ehepartner bereit, eine Niere zu spenden, wobei hier bestimmte Voraussetzungen, zum Beispiel hinsichtlich Blutgruppe und Gewebeverträglichkeit, erfüllt sein müssen. Bei der HD und der PD gibt es eigentlich keine entsprechenden Vorgaben. Die Verfahren sind medizinisch gleichwertig und hängen sehr stark von der persönlichen Einstellung und Entscheidung des Patienten ab.
Das heißt, in dem Moment, in dem ich dialysepflichtig werde, fange ich entweder mit der HD oder der PD an?
Dr. Koch: Ganz so einfach ist es nicht, weil beide Verfahren eine unterschiedliche Vorbereitung erfordern. Etwa sechs bis acht Wochen dauert es, bis ein für die HD benötigter Shunt, ein in einer ambulanten Operation angelegter Gefäßzugang an Ober- oder Unterarm, funktions-, das heißt punktierfähig ist. Da eine Shuntanlage nicht immer beim ersten Mal erfolgreich ist und dann wiederholt werden muss, sollte damit rechtzeitig vor der Dialysepflichtigkeit – bevor die Nieren weniger als 15 Prozent arbeiten – begonnen werden. Bei der PD besteht die Vorbereitung vor allem darin, den Patienten aufzuklären, dass er den Erfolg des Verfahrens sehr stark mitbestimmt, weil sie auf seine Eigenverantwortung setzt. Insofern wird er von mir und einer PD-Schwester bereits vor Dialysebeginn ausführlich informiert. Der Katheter wird dann gelegt, wenn die Nierenfunktion unter 15 Prozent liegt, weil er eigentlich immer gleich funktioniert. Die Katheteranlage ist ein 20 bis 30-minütiger Eingriff unter Vollnarkose. Der Patient bleibt anschließend vier bis sieben Tage stationär in Behandlung: zum einen, weil er in dieser Zeit von einer PD-Schwester geschult wird, zum anderen weil beim ruhigen Liegen der Katheter am besten einheilt. Bei der PD kann es drei Tage nach der Katheterlegung mit der regelmäßigen Dialyse losgehen.
Wie muss ich mir denn einen Shunt und einen Katheter vorstellen?
Dr. Koch: Da Sie von einer theoretischen Beschreibung wenig haben, rate ich Ihnen, sich beides einmal bei den entsprechenden Patienten anzusehen. Dabei können Sie auch sehr persönliche Fragen direkt ansprechen. Gerne vermittle ich hier den Kontakt.
Wie sieht es danach bei den beiden Verfahren mit der medizinischen Betreuung aus?
Dr. Koch: Bei der HD werden Sie in der Regel bei jedem Aufenthalt in einem Dialysezentrum – also dreimal pro Woche – von einem Arzt gesehen. Er kann eventuelle Fragen gleich beantworten. Bei der PD werden eventuelle Fragen und Probleme bereits sehr intensiv während des stationären Aufenthalts im Zusammenhang mit der Katheteranlage besprochen. Danach sollten Sie Ihren Nephrologen anfänglich alle zwei Wochen – bei Komplikationen etwas öfter – später alle vier bis sechs Wochen sehen. Ein Kontakt in diesen regelmäßigen Abständen ist vor allem auch dann notwendig, wenn Sie auf der Warteliste für eine Transplantation stehen.
Kann ich denn noch verreisen?
Dr. Koch: Bei der HD sollte der Urlaubsort in der Nähe eines Dialysezentrums liegen. Bei der PD kann das Dialysematerial entweder im Gepäck mitgenommen oder direkt an die Urlaubsadresse geliefert werden.
Auch wenn ich keine medizinischen Vorkenntnisse habe, interessiere ich mich mehr für die PD. Ich habe aber Sorge, dass ich es nicht schaffe.
Dr. Koch: Da kann ich sie beruhigen, bisher haben noch alle Patienten das PD-Verfahren erlernt, auch ältere Patienten, und sie werden erst dann zu Hause die Beutelwechsel selbstständig und alleine machen, wenn die Trainingsschwester sicher ist, dass sie sicher dazu in der Lage sind. Und für alle Fälle haben sie die Handynummer unserer PD-Schwester, die sie jederzeit anrufen können.
Gibt es unterschiedliche Diätvorschriften für HD und PD-Patienten?
Dr. Koch: Prinzipiell nein, wobei der PD-Patient etwas freier in seiner Trinkmenge und in der Kaliumaufnahme ist; der HD-Patient muss eher die Trinkmenge beschränken und auf eine geringe Kaliumaufnahme achten.
Was mache ich denn, wenn ich mich bis zum Zeitpunkt der Dialysepflicht nicht für ein Verfahren entscheiden kann?
Dr. Koch: Grundsätzlich kann ein Patient, der mit dem einen Verfahren beginnt und feststellt, dass er damit nicht so gut zurecht kommt, auf das andere Verfahren wechseln. Jedes Verfahren schließt das andere als Folgeverfahren nicht aus. Übrigens spielen bei der Wahl des Dialyseverfahrens weniger die medizinischen Aspekte eine Rolle. Die meisten Patienten treffen ihre Entscheidung unter persönlichen Aspekten: ist es mir lieber, in einem Dialysezentrum regelmäßig betreut zu werden, suche ich Kontakt zu anderen Dialysepatienten oder möchte ich die Dialyse lieber eigenverantwortlich in meinem gewohnten Umfeld vornehmen und schätze ich die entsprechende Eigenverantwortung, Unabhängigkeit und Flexibilität?
Es gibt ja sogar die Möglichkeit, nachts zu dialysieren. Was halten Sie von der Automatisierten PD, der PD mit Cycler, während der Nacht bzw. von der langen Nacht-HD?
Dr. Koch: Beide sind natürlich insbesondere für Berufstätige geeignet. Während der Patient bei der Nacht-HD drei Nächte pro Woche jeweils acht Stunden in einem Zentrum an das Dialysegerät angeschlossen ist, erfolgt die APD jede Nacht zu Hause. Das letztgenannte Verfahren entgiftet das Blut also in noch kürzeren Abständen, was verträglicher für den Patienten sein kann.
Mit welchen Komplikationen muss ich bei den beiden Verfahren denn rechnen?
Dr. Koch: In aller Regel sind Komplikationen seltene Ereignisse. Beide Dialyseverfahren sind ausgereift und funktionieren in der Regel über viele Monate und Jahre völlig problemlos. Bei der HD kann es vorkommen, dass der Shunt nicht mehr funktioniert. Dann ist eine erneute Operation nötig, um den Shunt wieder zu eröffnen, oder es muss ein neuer Zugang an einer anderen Stelle an Arm oder Bein gelegt werden. Bei der PD wird häufig die Peritonitis, die Bauchfellentzündung, als eine mögliche Komplikation angeführt, die sogar zum Abbruch des Verfahrens führen könne. Hier im Nephrologischen Zentrum Mettmann kommt bei 25 Patienten schätzungsweise einmal im Jahr eine Peritonitis vor. Wenn die Patienten für entsprechende Symptome – starke Bauchschmerzen oder Trübung des Dialysats – aufmerksam sind, wird die Peritonitis meist früh erkannt und kann mit Antibiotika behandelt werden. Früherkennung und rechtzeitige Therapie sind die besten Garanten für den Erhalt des Verfahrens. Dass durch eine solche Bauchfellentzündung bei uns ein Abbruch der PD notwendig wurde, ist mir nicht bekannt. Und wie gesagt: die medizinischen Erfolge der beiden Verfahren überwiegen eventuelle Probleme bei weitem.
Priv.-Doz. Dr. med. Michael Koch,
Nephrologisches Zentrum Mettmann